EU-Whistleblower-Richtlinie: Interne Meldestelle Pflicht

Die Umsetzungsfrist der EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) war bereits seit eineinhalb Jahren abgelaufen, als der Bundesrat in seiner Sitzung vom 12. Mai dieses Jahres das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedete. Am 2. Juni wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit endet die Umsetzungsfrist von einem Monat nach Verkündung für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern bereits am 2. Juli 2023. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern wird es eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 geben. Intention des Gesetzes ist der Schutz von Hinweisgebern vor Repressalien, nachdem sie einen potenziellen Gesetzesverstoß im beruflichen Kontext gemeldet haben. Praktisch bedeutet das Gesetz die Einrichtung einer internen Meldestelle im Unternehmen und dabei die Beachtung potenzieller arbeitsrechtlicher Fallstricke.

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) wollte die Ampelregierung ein weiteres Beispiel für den Umsetzungseifer über die Brüsseler Anforderungen hinaus statuieren. Dies wäre ein Bruch des ebenfalls von der Ampel im letzten Jahr verabschiedeten Belastungsmoratoriums, was nur noch eine 1:1 Umsetzung vorsieht, gewesen. Der am 16. Dezember 2022 weit über die Vorgaben vom Bundestag verabschiedete Entwurf wurde daher am 10. Februar vom Bundesrat erst einmal abgelehnt.

Anstatt den Vermittlungsausschuss anzurufen, wurden im März zwei neue Initiativen in den Bundestag eingebracht und beraten. Erstere entsprach weitestgehend dem vom Bundesrat abgelehnten Gesetzentwurf, nur die Anwendbarkeit für die Behörden der Länder und Kommunen wurde gestrichen, so dass sie „wesentlich weniger betroffen“ und eine Zustimmung des Bundesrats dahingehend entbehrlich sein sollte. Eine Stunde vor der geplanten Verabschiedung hatte man aber den von verschiedenen Seiten vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nachgegeben und es von der Agenda der Bundestagssitzung gestrichen.

Im April wurde dann doch der Vermittlungsausschuss angerufen und die Übererfüllung weitestgehend entschärft. Im Wesentlichen geblieben ist nur die Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs. Hinweisgeber stehen demnach nicht nur unter Schutz, wenn sie Verstöße gegen EU-, sondern auch nationales Recht melden.

Herausforderung interne Meldestelle

Neben den arbeitsrechtlichen Implikationen ist das Kernelement des Gesetzes die Einrichtung einer internen Meldestelle. Aufgaben der internen Meldestelle sind die Entgegennahme und Bearbeitung von Informationen über potenzielle Gesetzesverstöße. In der praktischen Umsetzung werden jedoch auch oft Verstöße gegen interne Grundsätze und Richtlinien erfasst. Mindestadressat für die Nutzung der internen Meldestelle sind die eigenen Beschäftigten und überlassenen Leiharbeitnehmer. Aufgrund der Anforderung einer sogenannten Beschwerdestelle im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) empfiehlt es sich ab einer bestimmten Unternehmensgröße oder aufgrund von Kundenanforderungen die Meldestelle zu öffnen und so auch für Mitarbeiter von unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern zugänglich zu machen.   

Strikte Anforderungen an die Meldestelle

Mit Inkrafttreten des Gesetzes muss die interne Meldestelle im Unternehmen eingerichtet und kommuniziert sein. Meldewege sind schriftlich und / oder mündlich einzurichten. Nicht mehr erforderlich ist ein anonymer Meldekanal. Für diese gibt es zahlreiche Anbieter von cloudbasierten Lösungen, welche oftmals sogar die „vollständige Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes“ versprechen. Vernachlässigt in diesen Aussagen werden jedoch die Anforderungen an den Betrieb der Meldestelle. Der Gesetzgeber schreibt z. B. Fristen für Rückmeldungen an die Hinweisgeber von sieben Tagen vor. Weiterhin gibt es Anforderungen zur Dokumentation, Löschung und Wahrung der Identität des Hinweisgebers und sonstiger mit der Meldung in Verbindung stehender Personen (z. B. Beschuldigter). Die Wahrung der Identität kann mit den Informations- und Auskunftsrechten gemäß DSGVO im Konflikt stehen und erfordert daher oftmals eine rechtliche Abwägung. Die mit der Meldestelle betrauten Mitarbeiter müssen daher, aber auch gemäß dem Gesetz, über die notwendige Fachkunde, also zwangsläufig in Rechts-, Datenschutz- und Compliancefragen geschult werden, und über Unabhängigkeit verfügen.

Beweislastumkehr im Fall potenzieller Benachteiligung

Dieser Anspruch des Ausschlusses von Interessenskonflikten sollte insbesondere für kleinere unter das Gesetz fallende Unternehmen schwierig in der Umsetzung sein. Der Gesetzgeber erlaubt jedoch auch fachkundige Dritte mit dem Betrieb der Meldestelle zu betrauen. Dies empfiehlt sich auch aufgrund der im Gesetz verorteten Beweislastumkehr im Fall von potenziellen beruflichen Benachteiligungen eines Hinweisgebers. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber nachweisen, dass es sich bei der Maßnahme nicht um eine Repressalie aufgrund einer früheren Meldung gehandelt hat. Beim Betrieb der Meldestelle - zum Beispiel durch eine Rechtsanwaltskanzlei - sollte nur diese Kontakt zum Hinweisgeber pflegen und den Sachverhalt anonymisiert seinem Mandaten zur weiteren Entscheidung vorlegen. Insbesondere in kleineren Unternehmen, in denen die Meldestelle oft in der Personalabteilung angesiedelt ist, kann der Nachweis der Sachverhaltsunabhängigkeit ansonsten nur schwer geführt werden.

Bis zu 50.000 Euro Bußgeld

Neben den arbeitsrechtlichen Risiken kann eine Nichtbeachtung des Gesetzes in einer Ordnungswidrigkeit münden. Es sind Bußgelder bis zu 50.000 Euro veranschlagt. Es gibt jedoch auch betriebliche Gründe zur Einrichtung einer internen Meldestelle. Nach dem Gesetz könnte sich der Hinweisgeber auch an eine externe Meldestelle (z. B. beim Bundesjustizministerium) wenden. Bei Nutzung der internen Meldestelle kann der Sachverhalt aber zunächst intern aufgeklärt, vorbereitet und gegebenenfalls sogar abgeschlossen werden. So kann nicht nur Zeit gewonnen, sondern das Unternehmen auch vor einem Reputationsverlust durch Vorverurteilung geschützt werden.


Autorin: Kristin Peitz