Gewerbeflächen: Mehr Netto vom Brutto
Weniger als 2/3 der regionalplanerisch ausgewiesenen Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche sind tatsächlich für Unternehmen nutzbar. Um ausreichende Entwicklungsperspektiven für die Wirtschaft zu erhalten, muss künftig mehr Fläche ausgewiesen oder der Anteil an Grün- und Nebenflächen gesenkt werden, fordern die IHKs in NRW als Fazit einer unabhängigen Studie.
Landesweit 24 per Zufall ausgewählte Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche (GIB) hat Gutachter Prof. Dr. Gerd Hennings (Büro für Gewerbe- und Freiraumplanung, Dortmund) mit den daraus entwickelten Bebauungsplänen verglichen. Sein Fazit: Je nach Untersuchungsmethode liegen die tatsächlich nutzbaren Flächenanteile zwischen 60,1 und 67,5 % und damit deutlich zu niedrig. Die nicht gewerblich nutzbaren Bereiche entfallen nach Methode II mit einem Anteil von 9,5 Prozent auf öffentliche Verkehrsflächen und zu 22,6 Prozent auf Grünflächen. Zu letzteren zählen Ausgleichsflächen, Grün- und Entwässerungsanlagen sowie Böschungen. Sonstige Flächenanteile (Landwirtschaftliche Flächen, Sport- und Wohnnutzungen) machen weitere knapp 8 Prozent aus.
Besonders gravierend sind die Brutto-Netto-Differenzen bei den nach dem Jahr 2000 entwickelten Bebauungsplänen, die nach neueren planungsrechtlichen Vorgaben festgesetzt wurden. Hier liegt der Grünflächen-Anteil teilweise um 50 Prozent über dem der Pläne älteren Datums, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass darin Ausgleichsmaßnahmen vorrangig innerhalb eines Plangebietes selbst realisiert werden. Sie fließen damit in die Gesamtbilanz ein, sind tatsächlich aber nicht gewerblich nutzbar. Sie werden beplant, aber nicht zwangsläufig dem Freiraum entzogen.
Weil bei der Neudarstellung von GIB im Regionalplan der Netto-Verkauf zurückliegender Jahre zur Grundlage genommen wird, muss dieser Flächenbedarf auf den Brutto-Bedarf hochgerechnet werden, fordern die IHKs in NRW. Raumplaner und Wirtschaftsförderer müssen sonst davon ausgehen, dass die Regionalplanung keine ausreichende Gewerbe- und Industrieflächenausstattung in den Kommunen mehr gewährleistet. Ebenso muss die Praxis des Eingriffs-Ausgleichs innerhalb von Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen überprüft werden. Eine Änderung setzt voraus, dass außerhalb der planungsrechtlich festgesetzten Industriegebiete ausreichend Möglichkeiten für Kompensationsmaßnahmen bestehen. Das wird schon deshalb zunehmend schwieriger, weil die Landwirtschaft einerseits Flächen für neue Baugebiete und für die Lokalisierung von Ausgleichsmaßnahmen abgeben müsste, andererseits aber auf Grund steigender Rohstoffpreise eher mehr als weniger Flächen selbst bewirtschaften möchte.
Unter den von Prof. Hennings untersuchten 24 Gewerbestandorten sind auch zwei GIB aus Hellweg-Sauerland. In der Gemeinde Bad Sassendorf ist das schon etwas ältere Gewerbegebiet Lohner Klei-Süd und in Arnsberg das nach der Jahrtausendwende entwickelte Gewerbegebiet Gut Nierhoff bewertet worden. Dabei wird deutlich, dass neben Alter und veränderter Planungsphilosophie vor allem Interpretationsspielräume der Regionalplanung und nur zum Teil naturräumliche und topografische Bedingungen eine Rolle bei der Ausnutzbarkeit von Gewerbestandorten spielen.